Ich möchte den Amerikanern erzählen, was ich gesehen habe. Ich bin vor kurzem von der Front zurückgekommen und habe viel durch Territorium fahren müssen, das von den Eindringlingen befreit worden ist. Ich suche Vergleiche, die meine Eindrücke von der „Wüstenzone“ wiedergeben könnten, und finde keine.
Ich habe auch früher Zerstörungen sehen müssen, aber hier geht es um den Maßstab. Man kann von morgens bis abends mit dem Auto fahren und nicht eine unbeschädigt gebliebene Stadt sehen. Die Hitlerleute haben sich selbst übertroffen.
Vor mir liegt ein Brief des Unteroffiziers der 283. Infanteriedivision Karl Peters.
Er schreibt an eine gewisse Gerda Becker: „Ja, wenn wir eine Stadt aufgeben, lassen wir nur Ruinen übrig. Rechts, links und hinten gehen Explosionen hoch. Die Häuser werden dem Erdboden gleichgemacht. Nur die Öfen fangen nicht Feuer, und das, was bleibt, ähnelt einem Wald aus Stein. Riesige Blöcke von Häusern zerstieben bei einer guten Sprengung. Grandiose Brände machen die Nacht zum Tag. Glaub mir, keine englischen Bomben können solche Zerstörungen schaffen. Wenn wir uns bis zur Grenze zurückziehen müssen, wird den Russen von der Wolga bis zu den Grenzen Deutschlands keine einzige Stadt, kein einziges Dorf bleiben. Ja, hier herrscht der totale Krieg in seiner höchsten, vollendeten Form. Das, was hier vor sich geht, ist etwas noch nie Dagewesenes in der Weltgeschichte. Ich weiß, dass Ihr in der Heimat wegen der schweren Luftangriffe schwere Augenblicke durchleben müsst. Aber glaub mir, es ist viel schlimmer, wenn sich der Feind im eigenen Land befindet. Die Zivilbevölkerung hier hat keinen Ausweg. Ohne Dach über dem Kopf müssen sie hungern und frieren. Wir gehen wieder Feuer legen. Ich umarme mein Küken. Dein Karl.“
Was kann man diesem Brief noch hinzufügen? Natürlich, in Deutschland hat so ein Karl nie auch nur einen Zigarettenstummel auf die Straße geworfen, er hat Ärmelschoner angezogen, um seine Ärmel nicht durchzuscheuern, er hat sich nicht nur gegen Feuer, sondern sogar gegen Krebs versichert. Jetzt berauscht er sich an Vernichtung. Er spielt den Nero. Er träumt nicht mehr vom „Lebensraum“. Nur eins versetzt ihn in Begeisterung: Tod zu hinterlassen.
Natürlich ist es den Hitlerleuten nicht gelungen, alle Städte und Dörfer zu vernichten. Manchmal hat die Rote Armee die Fackelträger überholt. So sind Neshin und Sumy erhalten geblieben. Auch in Kiew sind die Brandstifter geflohen, kaum dass sie ihre Arbeit begonnen hatten. Viele Dörfer sind deshalb unzerstört geblieben, weil sie fürchteten, durch das Feuer ihren Rückzug zu verraten. Nicht das Gewissen hat sie zurückgehalten – die Furcht. Aber sie haben mit allen Kräften versucht, das Verlorene aufzuholen. Gluchow, Krolewez – das waren liebenswerte Provinzstädtchen, mit gemütlichen kleinen Häusern, mit dem Grün ihrer Gärten, mit abgebröckelten Säulen und geräumigen Vorbauten. Die Hitlerleute schafften es bei ihrem Rückzug nicht, sie niederzubrennen. Einen oder zwei Tage danach korrigierten deutsche Bomber den Fehler der Fackelträger.
Ich bin an Dörfern vorbeigefahren, die gerade niederbrannten. Es schien, als läge die Erde in den letzten Zuckungen; sie bewegte leise Holzteilchen, wie Finger. Sie atmete eine tote Fieberhitze. Und überall sah ich dasselbe Bild: Neben der warmen Asche wimmelten Menschen. In diesen Häusern hatten die Menschen gelebt, gearbeitet, Hochzeiten gefeiert, Tote beweint. In diesen Häusern hatten alte knarrende Betten gestanden, abgewetzte Tische, Truhen mit Hochzeitskleidern und mit den guten alten Sachen von früher. Alles das haben die Deutschen verbrannt, sie haben das Leben verbrannt, und nun wärmen sich die Frauen mit ihren Kindern in der eiskalten Nacht an dem, was noch gestern ihr Haus gewesen ist.
Schnee ist gefallen. Er hat die Wunden der Erde bedeckt. Aber für die Obdachlosen ist es noch furchtbarer in solchen Nächten. Die Pelzjacken, warmen Tücher und Filzstiefel sind ja verbrannt.
Und Karl Peters freut sich: Er hat die Alten und Kinder zur Folter verdammt.
Umsonst versuchen die Hitlerleute in den Zeitungen, die militärische Bedeutung der „Wüstenzone“ darzulegen. Die niedergebrannten Dörfer haben die russischen Panzer, die von Lgow bis Shitomir durchgefahren sind, nicht zum Stehen gebracht. Die Rote Armee hat sich daran gewöhnt, in Wäldern zu übernachten: Dort ist es ruhiger – man ist keine Zielscheibe für die feindlichen Flieger. Die russischen Soldaten sind warm gekleidet. Sie werden sich ohne Häuser behelfen. Umkommen werden alte Frauen und Kinder.
Darin besteht das ganze Pathos Hitlerdeutschlands: Schutzlose zu quälen.
Die Ukarine war für ihre Äpfel berühmt. Ich habe zerschlagene und zersägte Obstgärten gesehen. Militärische Bedeutung? Was für ein dummer Witz! In einem Dorf hundert Apfelbäume abholzen – das soll die Rote Armee aufhalten?
Ich habe tausende Milchkühe gesehen, die von den Deutschen erschossen wurden. Eine Kuh ist die Stütze der Bauernfamilie. Wenn eine Kuh da ist, heißt das, die Kinder sind satt. Die Deutschen konnten das Vieh nicht wegtreiben: Es war keine Zeit. MP-Schützen erschossen die Kühe. Erinnern wir uns, wie sich nach dem Versailler Frieden die Deutschen entrüsteten: Man hatte ihnen die Kühe weggenommen und damit die deutschen Kinder der Milch beraubt. Jetzt töten die Deutschen Kühe. Einen schrecklichen Eindruck machen diese erschossenen Herden, diese rotbraunen gefleckten Kühe mit ihren aufgeplatzten Bäuchen. Kann das Töten von Kühen, Schafen, Schweinen etwa die Rote Armee aufhalten? Eine Kuh ist doch kein Tankwagen mit Treibstoff. Aber Kühe – das ist Milch für die Kinder. „Tod den russischen Kindern!“ schreit Karl Peters.
In Tschernigow gab es Kirchen aus dem elften Jahrhundert. Über uns sagt man in Amerika oft: „ein junges Land“. Aber wir haben eine lange Geschichte hinter uns. In den Städten der alten Rus blühte eine Kultur, die eine Erbin von Hellas war. Die wundervollen Kirchen von Tschernigow hatte die Zeit verschont: Neun Jahrhunderte hatten sie gestanden. Die Hitlerleute haben sie in neun Minuten verbrannt.
Bei ihrem Rückzug töten die Deutschen Menschen. Darin liegt ebenfalls keine „militärische Bedeutung“: Sie töten Frauen, Halbwüchsige, Alte. Früher haben sie die Bevölkerung fortgetrieben. Jetzt sind sie in Eile, und es ist auch zu nahe an Deutschland – es gibt keinen Ort, wohin man die Leute treiben könnte. Zu all dem Blut, das sie früher schon vergossen haben, kommt neues hinzu. Riesige Gebiete sind leer geworden wie der Wald im Herbst. Die Hitlerleute haben alle Juden getötet. Sie haben die Alten getötet. Sie haben Säuglinge genommen und sie mit dem Kopf an einen Baum oder einen Pfosten geschlagen. Sie haben noch Lebendige verscharrt. In Pirjatin hat mir der Ukrainer Tschepurtschenko erzählt, wie er gezwungen wurde, ein Grab zuzuschütten. Aus diesem Grab erhob sich der Fahrer Ruderman mit Augen, die mit Blut gefüllt waren, und schrie: „Schlag mich zu Ende tot!“ Ich habe das Recht zu sagen, dass die Deutschen an diesem Tag nicht nur Ruderman, sondern auch Tschepurtschenko getötet haben. In der ganzen von den Deutschen gesäuberten Ukraine sind nicht mehr als hundert Juden übriggeblieben, die sich in den Wäldern versteckt hatten. Das ist Völkermord. Die Hitlerleute haben alle Zigeuner getötet. Sie haben Russen, Belorussen, Ukrainer getötet. Sie haben ganze Dörfer getötet.
Von der tschechischen Gemeinde Lidice hat die ganze Welt gesprochen. Dabei haben wir hunderte und aberhunderte solcher Lidices.
Und zu guter Letzt töten die Faschisten bei ihrem Abzug alle, die ihnen unter die Augen kommen. Die Bauern fliehen in die Wälder und retten sich dadurch.
Wenn die Hitlerleute ein wenig Zeit haben, sprengen und brandschatzen sie wählerisch. Sie lassen alte Häuschen stehen. Sie verbrennen Schulen, Krankenhäuser, Museen, neue, gute Gebäude. Es war schwer, das zu bauen. Die Menschen verzichteten dafür auf vieles, sie glaubten: „Wir bauen das, und dann beginnt ein glückliches Leben.“ Jeden Stein sparten sie sich sozusagen vom Munde ab. Wer würde nicht verstehen, was auf dem Dorf die erste Geburtsklinik und die erste Schule bedeuten? Und nun liegt das alles vor mir – Scherben, Schutt, Asche. Und Karl Peters schreit: „Der totale Krieg in seiner höchsten, vollendeten Form!“
„Vielleicht ist das Propaganda?“ wird der misstrauische Leser wohl fragen, und das Wort „Propaganda“ wird er so aussprechen, wie man „Reklame“ sagt. Aber für was für eine Ware mache ich Reklame? Ich spreche von menschlichem Leid. Ich kann nicht ruhig schlafen nach dieser Reise, ich sehe Asche, kranke Schatten und das Nichts. Ich höre, wie erzählt wird: „Und als sie zugeschüttet waren, bewegte sich die Erde noch …“
Mein Soldatenmantel riecht ganz nach Rauch, und dieser Geruch verfolgt mich wie eine Halluzination.
Ich habe die schamlosen Erörterungen eines deutschen Journalisten gelesen. Er versichert, dass „die Russen im Jahr 1941 bei ihrem Rückzug auch Gebäude vernichtet haben“. Ja, ich erinnere mich an Bauern, die auf der Flucht vor den Deutschen Häuser niederbrannten. Das waren ihre Häuser. Niemals hat die Rote Armee beim Rückzug Städte oder Dörfer vernichtet. Aber wenn die Russen ihre eigenen Fabriken sprengten oder ihre eigenen Häuser niederbrannten, war das ihr heiliges Recht. Karl Peters brennt fremde Häuser in einem fremden Land nieder und freut sich noch dazu: Die russischen Kinder haben kein Dach mehr über dem Kopf.
Es gibt Menschen, die denken, dass sich dieser Greueltaten nur Einzelne oder ein paar Hundert schuldig machen. Ich würde gern auch so denken: Es ist ruhevoller, sich den vollen Glauben an den Menschen zu erhalten. Leider ist das aber nicht so: Der Verbrechen, die ich gesehen habe, machen sich Hunderttausende und Millionen schuldig.
Die Hitlersoldaten erfüllen ihre Vernichtungsbefehle nicht nur sorgfältig, sie sind mit dem Herzen dabei, sie legen Initiative hinein, Phantasie, Leidenschaft. Nicht wenige Überläufer, mit denen ich Gelegenheit hatte, mich zu unterhalten, sagen: „Der Krieg ist verloren“, oder „Ich will leben“ oder „Ich habe Familie“. Sie sprechen nicht von ihrer Empörung über diese Bestialitäten. Sie denken nicht an die fremden Familien auf ihren Brandstätten. Die Furcht hat sie von Hitler weggeführt, nicht das Gewissen. Das sind nicht die Gerechten, um derentwillen der Herr Sodom und Gomorrha verschont hat, das sind einfach Feiglinge.
Ich möchte denken, dass sich für die Fackelträger keine sentimentalen Verteidiger finden werden, dass man die Schuldigen auf die Anklagebank setzen wird, dass die Millionen Soldaten, die Europa in die „Wüstenzone“ verwandelt haben, zehn Jahre lang Steine klopfen und Holz fällen werden. Vielleicht werden sie die Städte wiedererrichten. Aber sie werden die Toten nicht wieder auferwecken können. Und sie werden in meinem Herzen das frühere Vertrauen in den Menschen nicht wieder auferwecken können. Ich habe die Erde nach den Hitlerleuten gesehen, und ich kann das nicht vergessen.
16. November 1943
Übersetzung aus dem Russischen: C. Mannewitz
[erstmals im Sammelband „Letopis mushestwa“, Moskau 1974, S. 299]